Freitag, 14. Oktober 2005

Kapitallebensversicherung: Mehr Geld bei frühem Ausstieg

Zahlreiche Inhaber von Kapitallebensversicherungsverträgen haben nach frühzeitiger Kündigung oder Beitragsfreistellung des Vertrags Anspruch auf eine Nachzahlung. Betroffen sind 10 bis 15 Millionen zwischen Ende Juli 1994 und Mitte 2001 geschlossene Lebensversicherungsverträge. Die Klauseln zur Ermittlung des Rückkaufswerts sind unwirksam. Das hat der Bundesgerichtshof (BGH) heute in drei Grundsatzurteilen entschieden. Die Bedingungen der Versicherer führten bei frühzeitiger Kündigung oder Beitragsfreistellung dazu, dass Versicherte nichts oder wenig von ihren Beiträgen zurück bekamen. Die Bundesrichter haben jetzt eigene Regeln für die Ermittlung des Rückkaufswerts aufgestellt.

Millionen Verträge betroffen 

Vor vier Jahren hatte der Bundesgerichtshof zum ersten Mal über die Abzüge bei vorzeitiger Kündigung von Kapitallebensversicherungen geurteilt: Die Klauseln über Rückkaufswert, Abschluss- und Stornokosten sind zu undurchsichtig und daher unwirksam, befanden die Richter damals. Die Regelungen führten dazu, dass Kunden bei Kündigung eines Kapitallebensversicherungsvertrags zu Beginn der Laufzeit überhaupt kein Geld zurück bekamen und die Rückzahlung auch später noch viel Jahre lang weit hinter der Summe der Beiträge zurück blieb. Auch bei der Beitragsfreistellung nahmen die Versicherungen erhebliche Abzüge vor.
Neue Regeln mit altem Inhalt 

Auf das erste Urteil des Bundesgerichtshof hin überlegten die Versicherer sich neue Bedingungen, die ihrer Meinung nach klarer und besser verständlich sind. Inhaltlich jedoch blieb alles beim Alten: Von den Beiträgen am Anfang der Laufzeit sollten zunächst die Abschlusskosten und insbesondere die Provisionen für Vermittler bezahlt werden. Erst danach kommen Beiträge den Versicherten zugute. Im Ergebnis entsprach die neue Regelung exakt den von den Bundesrichtern beanstandeten Klauseln. Zillmerung heißt dieses Verfahren. Das geht so nicht, urteilte der Bundesgerichtshof jetzt. Auch die neuen Klauseln für diese alten Verträge sind unwirksam. Ebenfalls vom Urteil betroffen: die Regeln über Stornoabzüge. Bei vorzeitigem Ausstieg aus dem Vertrag oder bei Beitragsfreistellungen nahmen die Versicherer Abzüge vom Guthaben ihrer Kunden vor. Auch das ist bei den betroffenen Verträgen nicht zulässig.
Richter legen Minimalentschädigung fest 

Stattdessen gelten für alle betroffenen Kapitallebensversicherungsverträge folgende Regeln: Bei vorzeitiger Kündigung gibts auf jeden Fall zumindest so viel Geld, wie der Versicherer von sich aus nach der eigenen Berechnungsmethode bereits gezahlt hat oder noch zahlen würde. Daneben haben die Bundesrichter eine eigene Berechnungsmethode aufgestellt. Wenn sie zu einem höheren Betrag führt, muss der Versicherer diesen auszahlen und bei Kündigungen in der Vergangenheit eine Nachzahlung leisten.
Pflicht zum Rückkauf von Beginn an 

Nach dieser Berechnungsmethode hat jeder Versicherte von der ersten Beitragszahlung an Anspruch auf Rückzahlung von etwas weniger als der Hälfte seiner Beiträge. Die Zillmerung ist nicht zu berücksichtigen. Für die Berechnung des Mindestrückkaufswertes müssen die Abschlusskosten und insbesondere die Provision für den Vermittler auf die gesamte Laufzeit verteilt werden. Sehr viele Versicherte werden aber voraussichtlich nicht von den aktuellen Urteilen profitieren. Nach einer ersten Einschätzung der FINANZtest-Experten dürfte die von den Bundesrichtern entwickelte Regel bei den meisten Kapitallebensversicherungsverträgen nur bei einer Kündigung in den ersten drei bis vier Jahren für Versicherte günstiger sein als der von den Versicherungen selbst nach den alten Regeln ermittelte Rückkaufswert. Auch nach einer Beitragsfreistellung können sich durch die Berechnungsmethode der Bundesrichter Verbesserungen für Kunden ergeben.
Vorsicht Verjährung! 

Anspruch auf eine Nachzahlung oder auf Gutschrift eines höheren Gutachtens haben Versicherte, wenn folgende Voraussetzungen vorliegen:
- Abschluss eines Kapitallebensversicherungsvertrags zwischen Ende Juli 1994 und Mitte 2001.
- Vorzeitige Kündigung oder Beitragsfreistellung des Vertrags.
- Auszahlung eines Rückkaufswerts oder Berechnung eines Guthabens unterhalb des von den Bundesrichtern verordneten Minimums. Das dürfte bei Kündigung in den ersten drei bis vier Jahren der Vertragslaufzeit die Regel sein; die FINANZtest-Experten arbeiten an einer Musterberechnung für einen gängigen Lebensversicherungsvertrag.
- Keine Verjährung. Ansprüche aus Lebensversicherungsverträgen verjähren grundsätzlich fünf Jahre nach Ende des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist.
Weitreichende Folgen für die Branche 

Für die Branche im Ganzen hat das Urteil des Bundesgerichtshofs nach Einschätzung von FINANZtest-Experten weit reichende Bedeutung. Wenn die Zillmerung nicht mehr zulässig ist, müssen sämtliche Tarife neu kalkuliert werden. Noch allerdings steht nicht fest, ob die 2001 neu gefassten Versicherungsbedingungen auch bei Neuverträgen unwirksam sind. Die heute veröffentlichten Grundsatzurteile betreffen direkt nur Verträge, die nach dem ersten Bundesgerichtshofsurteil 2001 neue Bedingungen erhalten haben. Klagen gegen die Bedingungen für neue Verträge sind jedoch bereits anhängig. Das Bundesverfassungsgericht hat sie bereits als intransparent bezeichnet, sich jedoch darauf beschränkt, den Gesetzgeber zu einer Neufassung der Regeln im Versicherungsvertragsgesetz zu verpflichten.
Bundesgerichtshof, Urteile vom 12. Oktober 2005
Aktenzeichen: IV ZR 162/03, IV ZR 177/03 und IV ZR 245/03
Viel Freude bei der Vermehrung der gewonnenen Einsichten,
wünscht Ihnen Ihr Finanzscout

Klaus J. P.-Kilfitt

Mittwoch, 5. Oktober 2005

Gierige Anwälte

Der Wettbewerb ist hart: Jedes Jahr drängen rund 5.000 junge Rechtsanwälte auf den Markt. Die miesesten Vertreter ihrer Zunft praktizieren dann meist entweder im Familienrecht, wo juristischer Sachverstand eher sekundär ist, oder spezialisieren sich auf die Finanzbranche. Denn da die Anwaltskammern es unverständlicherweise bislang nicht für nötig erachtet haben, dieses komplexe Rechtsgebiet durch klare Zugangsvoraussetzungen (Fachanwalt) zu regeln, sind dort die qualitativen Hürden niedrig und es ist mit wenig Aufwand und juristischem Fachwissen noch viel Geld zu verdienen.
  Kritiker bezeichnen diese selbsternannten “Anlegerschutz-Anwälte” oft treffend als “Leichenfledderer”, denn bei ihren Mandanten handelt es sich größtenteils um bereits einmal geschädigte Anleger, denen nun ein zweites Mal “das Fell über die Ohren gezogen” wird.

Umso schlimmer, daß diese widerwärtige Vorgehensweise unter dem Deckmäntelchen des “Verbraucherschutzes” praktiziert wird und somit wirklich im Sinne der Verbraucher agierenden Institutionen zusätzlich die Arbeit erschwert.

Meiden Sie daher möglichst Anwälte, die sich bereits plakativ als “Anlageanwalt” etc. bezeichnen, ohne sich durch irgend eine verifizierbare Zusatzausbildung (Bank- oder Finanzfachwirt o.ä.) besondere Kenntnisse auf diesem Rechtsgebiet erworben zu haben. procon-Mitglieder sollten daher unbedingt die Möglichkeit der kostenlosen Beratung durch den Verein nutzen, bevor Sie schlechtem Geld weiteres gutes hinterher werfen, indem Sie den falschen Anwalt konsultieren.

Viel Freude bei der Vermehrung der gewonnenen Einsichten,
wünscht Ihnen Ihr Finanzscout


Klaus J. P.-Kilfitt

www.klaus-kilfitt.de
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procontra© – kritische Informationen für aufgeklärte Verbraucher

Sehen Sie auch den aktuellen TV-Beitrag zu diesem Thema:
(ZDF, Frontal vom 4. Oktober 2005)