Freitag, 16. Mai 2014

BGH: Standartisierte Bearbeitungsgebühren in Privatkredit-AGBs sindunzulässig

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit zwei aktuellen Urteilen festgestellt, dass in allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) vorformulierte Bestimmungen über ein Bearbeitungsentgelt in Darlehensverträgen zwischen einem Kreditinstitut und einem Verbraucher unwirksam sind. In einem Verfahren machten die Darlehensnehmer Ansprüche gegen die Bank aus ungerechtfertigter Bereicherung geltend und forderten die Rückzahlung des von der Beklagten beim Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrages berechneten Bearbeitungsentgelts.

Nach Auffassung des BGH seien die Bestimmungen in den Verträgen nach § 307 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB zu bewerten. In den zugrunde liegenden Fällen handele es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen der Banken im Sinne von § 307 BGB.

Die beiden beanstandeten Entgeltklauseln stellten keine gemäß § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB kontrollfreien Preisabreden, sondern vielmehr der Inhaltskontrolle zugängliche Preisnebenabreden dar.

Das Bearbeitungsentgelt stelle sich auch nicht als Vergütung für eine sonstige, rechtlich selbstständige, gesondert vergütungsfähige Leistung der Bank dar. Vielmehr würden damit lediglich Kosten für Tätigkeiten wie die Zurverfügungstellung der Darlehenssumme, die Bearbeitung des Darlehensantrages, die Prüfung der Kundenbonität, die Erfassung der Kundenwünsche und Kundendaten, die Führung der Vertragsgespräche oder die Abgabe des Darlehensangebotes auf die Kunden der Banken abgewälzt, die die Beklagten im eigenen Interesse erbringen oder auf Grund bestehender eigener Rechtspflichten zu erbringen haben. Der danach eröffneten Inhaltskontrolle hielten die streitigen Klauseln nicht stand. Sie sind vielmehr unwirksam, weil die Erhebung eines laufzeitunabhängigen Entgelts für die Bearbeitung eines Verbraucherdarlehens mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung unvereinbar sei und die Kunden der Beklagten entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligten.

In diesem Zusammenhang sollten Bankkunden etwaige Darlehensverträge auf Vergleichbarkeit untersuchen lassen. Insoweit stellen unsere Experten Musterschreiben zur Verfügung, mit denen Bankkunden die Neuberechnung der Zinsen verlangen und überzahlte Zinsen sowie Bearbeitungsentgelt zurückfordern.

Viel Freude bei der Vermehrung der gewonnenen Einsichten,
wünscht Ihnen Ihr Finanzscout

Montag, 5. Mai 2014

PROKON regenerative Energien: Insolvenzverfahren eröffnet

Mit einem Paukenschlag meldet sich das Amtsgericht Itzehoe zu Wort und entzieht dabei gleichzeitig diversen Panikmachern jegliche Grundlage. Mit einer ausführlich begründeten Entscheidung wird unter dem Aktenzeichen 28  IE 1/14 das Insolvenzverfahren gegen die PROKON regenerative Energien GmbH eröffnet. Das ist als solches wenig spektakulär und war erwartet worden. Eine gewisse Brisanz beinhaltet allerdings die Begründung der Insolvenzreife - nämlich konkret Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung. Hier setzt das Amtsgericht Itzehoe einen Meilenstein im Anlegerschutz. Es geht nämlich davon aus, dass die Genussrechte, jedenfalls was die Pflicht zur Rückzahlung des Genussrechtskapitals betrifft, nicht nachrangig sind. Dies mit einer überaus eleganten und auch überzeugenden Begründung:


Zum einen seien die Genussrechtsbedingungen, die den Status von Allgemeinen Geschäftsbedingungen genießen, überhaupt nicht wirksam einbezogen, können also die Rechte der Gläubiger nicht beeinträchtigen. Zum anderen sei die Regelung auch intransparent und könne durch das Gericht oder einen Dritten nicht mit einem mutmaßlichen Parteiwillens unterlegt werden. Sie benachteiligten die Anleger zudem  über Gebühr, soweit es an einem konkreten Maßstab zur Errechnung eines möglichen Verlustes fehle. Jegliche Kürzung bliebe somit der einseitigen Bestimmung durch  PROKON unterworfen, dessen Management gleichsam frei schalten und walten könnte, da konkrete Regeln nicht existierten.


Als Konsequenz finden die Genussrechtsbedingungen keine Anwendung. Damit sollte die Frage der Nachrangigkeit der Genussrechtsforderungen endgültig zugunsten der Anleger entschieden sein, was zu einem so frühen Zeitpunkt nicht zu erwarten war. Das Gericht hat diese Entscheidung auf diverse Sachverständigengutachten gestützt.


Stellungnahme des Insolvenzverwalters auf der PROKON - Homepage


Insolvenzverwalter Dr. Penzlin stellt ausführlich die gegenwärtige Situation dar. Dabei wagt er auch erste Bewertungen des zur Verfügung stehenden Vermögens, im Wesentlichen fertig gestellte und geplante Windparks sowie  Darlehensforderungen gegen verschiedene Tochtergesellschaften und eine Gesellschaft namens HIT Holzindustrie Torgau oHG. Dazu kommt eine teilentwickelte Windkraftturbine, für die derzeit Investoren gesucht werden, einige Immobilien sowie der Fuhrpark.


Insgesamt schätzt der Insolvenzverwalter die mögliche Quote vorsichtig auf 30 bis 60% des Nominalkapitals. Das ist mehr, als ursprünglich zu befürchten war, zumal jetzt auch bestätigt wird, dass die Buchführung der PROKON diesen Namen wohl nicht wirklich verdiente. Es wird von "wissentlicher Vernachlässigung" dieser wichtigen Aufgabe gesprochen. Das Testat für das Jahr 2012 wurde durch den eingesetzten Wirtschaftsprüfer verweigert. Mittlerweile konnte wenigstens ein Abschluss für 2013 fertig gestellt und auch testiert werden, der einen Verlust von gut 400 Millionen € ausweist.


Völliges Versagen der Aufsichtsbehörde


Machen Amtsgericht und Insolvenzverwaltung eine gute Figur, so steht nun auch der Verlierer in der Causa PROKON fest. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) hat sich vorliegend nicht nur als zahnloser Tiger, sondern auch als wenig effektives Kontrollorgan erwiesen. Wenn man bedenkt, dass hier Milliardenbeträge eingesammelt wurden, die Genussrechtsbedingungen alles andere als perfekt sind und vorsichtig formuliert massive Zweifel an der  Tragfähigkeit der rechtlichen Konstruktion bestehen, dann stellt sich die Frage, warum man hier nicht eingegriffen hat. Nach Lage der Dinge liegt hier ein unerlaubtes Bankgeschäft vor, was ein Tätigwerden der Behörde veranlassen hätte müssen.


Was tat die Finanzaufsicht, die schon im Vorfeld eine Prüfung der Konstruktion vorgenommen hatte? Jedenfalls nichts Feststellbares. Die größte Sorge scheint zu sein, nicht in die Haftung genommen zu werden, weshalb man das von der BaFin herausgegegebene Merkblatt zum Einlagengeschäft dezent überarbeitete. Dort formuliert man jetzt, dass es bei Genussrechten grundsätzlich nicht zu einem Einlagengeschäft kommen könne, da diese, wie man ja wisse, am Verlust beteiligt seien. Eine Passage, die vorher fehlte.


Das wirft Fragen auf, wenn man berücksichtigt, dass das Amtsgericht zunächst einmal zutreffend bemerkt, dass derartige Rechte nirgends definiert sind und wenn man dessen rechtliche Bewertung, die sich immerhin auf einen vorsitzenden Bundesrichter a.D. stützen kann, heranzieht. Dann bleiben nämlich nichts anderes als "unbedingt rückzahlbare Gelder des Publikums", also das klassische Einlagengeschäft des § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KWG. Und eine blamierte Behörde.


Derzeit keine Eile geboten


Der Insolvenzverwalter bittet - angesichts von 70.000 Gläubigern durchaus nachvollziehbar - derzeit noch von Insolvenz Anmeldungen abzusehen. Den Gläubigern soll in der zweiten Jahreshälfte ein bereits ausgefülltes Anmeldungsformular zugehen, das man dann entweder korrigieren oder unterzeichnen soll. Man kann sich dann insoweit der Daten der Anlegerbuchhaltung bedienen, was es leichter macht, die zu erwartenden Datenmengen zu beherrschen. Nachteile muss dabei niemand befürchten, zumal die Anmeldefrist zunächst bis 15. September 2014 festgesetzt ist. Zuvor kann ohnedies nichts passieren, zumal es Geld frühestens 2015 gibt.


Eingereichte Klagen oder Arrestverfahren bleiben unterbrochen


Vereinzelt waren einige der üblichen "Anlage-Kanzleien" vorgeprescht und hatten lauthals verkündet, man müsse nun sofort klagen, um Rechtsnachteile zu vermeiden. Dies hat sich als höchst unsinniger Rat herausgestellt, wie leider so oftm bei sog. "Anlageanwälten". Eine derartige Kalkulation hätte, wenn überhaupt, allenfalls dann aufgehen können, wenn das Insolvenzverfahren nicht eröffnet worden wäre. Aber auch dann wäre der erzielbare zeitliche Vorsprung minimal. Tatsächliche Vorteile hätten die Kläger niemals gehabt, so dass es für die Anleger, die einer solchen Empfehlung gefolgt sind, heißt: Außer Spesen (in Form von oft saftigen Anwaltshonoraren) nichts gewesen.


Derzeit sind insbesondere vor dem dargestellten Hintergrund keine sinnvollen Maßnahmen ersichtlich, um die Situation für die einzelnen Genussrechtsinhaber nachhaltig zu verbessern. Auf der anderen Seite sollten diese durchaus erfreut zur Kenntnis nehmen, dass man offensichtlich bemüht ist, ihre Ansprüche positiv zu bewerten.


Ansonsten ist nach Lage der Dinge derzeit zu erwarten, dass es zu einer vergleichsweise reibungslosen Feststellung der Genussrechtsforderungen kommen wird. Insoweit haben Amtsgericht und Insolvenzverwalter im Vorfeld für die Anleger den Boden bestens bereitet.


Weitere Informationen finden Sie auch hier:
>>> http://finanzscout.wordpress.com/2007/03/15/prokon-viel-wind-um-nichts


Der Bundesverband procon e.V. warnt bereits seit 1999 vor den Angeboten der PROKON-Gruppe.
Wie der Finanzanalyst und damalige procon-Vorstand Klaus J. Pitter-Kilfitt bereits Anfang 2007 anmerkte: “Öko liegt im Trend. Viele Verbraucher suchen nach Möglichkeiten, ihr Umwelt-Gewissen zu beruhigen. Und diesen Trend nutzen Anbieter wie Prokon schamlos aus. Umweltschutz + hohe Rendite – bei dieser verlockenden Kombination schaltet sich dann leider bei vielen Anlegern das Hirn aus.
Wir beobachten die Angebote des Herrn Rodbertus (Geschäftsführer PROKON Windenergie) schon seit geraumer Zeit. Das Werbematerial aus dem Hause Prokon ist unserer Meinung nach teilweise grob irreführend, die Prospekte verschweigen wesentliche Risiken und die Renditeberechnungen berücksichtigen wesentliche Faktoren nicht und kommen damit zu falschen – geschönten – Ergebnissen.


(Um Verwirrungen zu vermeiden sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass es sich bei procon e.V. und PROKON um eine rein zufällige Namensähnlichkeit handelt. Der Bundesverband verbraucherorientierter Wirtschaftsberatungsunternehmen – procon e.V. hatte und hat keinerlei Gemeinsamkeiten oder wie auch immer geartete Verbindungen mit der PROKON-Gruppe)


Viel Freude bei der Vermehrung der gewonnenen Einsichten,
wünscht Ihnen Ihr Finanzscout

procontra© - kritische Informationen für aufgeklärte Verbraucher

Freitag, 2. Mai 2014

BGH stärkt Rechte für Anleger geschlossener Fonds

Der für das Bankrecht zuständige XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) hat sich in zwei aktuellen Entscheidungen mit der Haftung einer Bank wegen fehlerhafter Anlageberatung im Zusammenhang mit dem Erwerb von Anteilen an einem offenen Immobilienfonds befasst.


Der Bundesgerichtshof hat mit zwei neuen Grundsatzurteilen die Rechte von Anlegern bei geschlossenen Immobilienfonds gestärkt. Dabei wurde die Aufklärungspflicht von Banken bei offenen Immobilienfonds ausgeweitet. Diese Beratungspflicht gelte auch für Verträge, die vor der Finanzkrise 2008 geschlossen wurden.


Der Bundesgerichtshof entschied über die Klagen zweier Anleger, die im Jahr 2008 auf Beratung von Mitarbeitern der Commerzbank Anteile an dem offenen Immobilienfonds von Morgan Stanley erworben haben. Die Fondsgesellschaft setzte im Oktober 2008 die Rücknahme der Anteile gemäß § 81 InvG (§ 257 KAGB) aus. Die Anleger hatten ihre Anteile mit Verlust über die Börse verkauft.


Bei der Beratung wurden die Anleger von dem Bankberater nicht auf das Risiko einer Aussetzung der Anteilsrücknahme hingewiesen. Demgemäß machten sie Schadensersatzansprüche unter Abzug erhaltener Vorteile geltend.


Nach Auffassung des höchsten deutschen Zivilgerichts muss eine Bank, die den Erwerb von Anteilen an einem offenen Immobilienfonds empfiehlt, den Anleger ungefragt über das Bestehen der Möglichkeit einer Aussetzung der Anteilsrücknahme durch die Fondsgesellschaft aufklären. Kennzeichnend für regulierte Immobilien-Sondervermögen ist, dass die Anleger gemäß § 37 InvG (§ 187 KAGB) ihre Fondsanteile grundsätzlich jederzeit liquidieren, d. h. zu einem im Gesetz geregelten Rücknahmepreis an die Kapitalanlagegesellschaft zurückgeben können.


Die in § 81 InvG geregelte Möglichkeit, die Anteilsrücknahme auszusetzen, stellt dementsprechend ein während der gesamten Investitionsphase bestehendes Liquiditätsrisiko dar, über das der Anleger informiert sein muss, bevor er seine Anlageentscheidung trifft. Ob eine Aussetzung der Anteilsrücknahme zum Zeitpunkt der Beratung vorhersehbar oder fernliegend ist, spielt für die Aufklärungspflicht der Bank keine Rolle.


Anleger können ihre Anteile an einem offenen Immobilienfonds zwar auch während einer Aussetzung der Anteilsrücknahme weiterhin an der Börse veräußern. Dies stellt angesichts der dort möglichen Beeinflussung des Preises durch spekulative Elemente aber kein Äquivalent zu der Möglichkeit dar, die Anteile zu einem gesetzlich geregelten Rücknahmepreis an die Fondsgesellschaft zurück zu geben.


Auf die Frage, ob eine Aussetzung der Anteilsrücknahme den Interessen der Anleger dient, kommt es für die Aufklärungspflicht der Bank nicht an. Die vorübergehende Aussetzung der Anteilsrücknahme soll der Gefahr einer wirtschaftlich nicht sinnvollen Verwertung des Fondsvermögens in einer Krisensituation vorbeugen. Da die Aussetzung jedoch dem Liquiditätsinteresse der Anleger entgegensteht, ist hierüber vor der Anlageentscheidung aufzuklären.


BGH Urt. v. 29.04.2014 – XI ZR 477/12 = WM 2013, 363
BGH Urt. v. 29.04.2014 – XI ZR 130/13 = BKR 2013, 290

Viel Freude bei der Vermehrung der gewonnenen Einsichten,
wünscht Ihnen Ihr Finanzscout

Klaus J. P.-Kilfitt

www.klaus-kilfitt.de
www.klaus-kilfitt.blogspot.de

procontra© - kritische Informationen für aufgeklärte Verbraucher