Samstag, 21. Juli 2007

Kapitallebensversicherungen: BGH ebnet Weg zur Beraterhaftung und Rückabwicklung

Neues Grundsatzurteil des Bundesgerichtshof (BGH):
Vermittelte Lebensversicherungen müssen Bedarf und Leistungsfähigkeit des Kunden entsprechen.


Kapitallebensversicherungen – legaler Betrug


Bereits mit dem Urteil vom 03. Juni 1983 (Az. 74 O 47/83) des Landgerichtes Hamburg wurde die Bewertung von Kapitallebensversicherungen als „legalen Betrug“ gerichtlich abgesegnet.


Prof. Michael Adams (Universität Köln) legte 1997 durch seinen Aufsatz "Die Kapitallebensversicherung als Anlegerschädigung" noch einmal nach.


Weitere fünf Jahre später belegte eine Dissertation, dass Vermittler das BOND-Urteil (Az. XI ZR 12/93) des Bundesgerichtshofes BGH zur Anleger- und objektgerechten Beratungspflicht auch bei Lebensversicherungen zu beachten haben, sofern diese als "Kapitalanlage" vermittelt werden. Nachdem nur etwa jeder vierte langfristige Lebensversicherungsvertrag bis zum Ende vom Anleger durchgehalten wird, liegt der Verdacht nahe, das Kapitalanlegern massenhaft nicht geeignete Verträge vermittelt wurden und nach wie vor werden.


Dies greift der BGH nun in seiner neuen Entscheidung (Urteil vom 14.06.2007 (Az. III ZR 269/06)) inhaltlich auf, in dem er darauf hinweist, dass ein Versicherungsmakler zum Schadensersatz verpflichtet ist, wenn er eine Lebensversicherung an einen Kunden vermittelt, die nicht „seinem Bedarf und seiner finanziellen Leistungsfähigkeit entspricht". Läuft der „Sparvertrag“ in der Form einer Lebensversicherung lediglich ein Jahr, so bekommt der Anleger nach einer Untersuchung von Prof. Adams im Mittel nicht einmal zwei Prozent seiner Einzahlungen zurück – eine Negativrendite von über 98%.


Während zahlreiche Kunden bei gekündigten Lebensversicherungen auf eine Neuabrechnung hoffen, mit im Schnitt nur vergleichsweise minimalen Nachzahlungen aus vertragsrechtlichen Ansprüchen gegen den Versicherer, liegt der gewichtigere Anspruch im Bereich der Falschberatung: Anleger können hier neben den einbezahlten Beiträgen auch eine or-dentliche Kapitalmarktverzinsung als entgangenen Gewinn verlangen.


Noch haben Anleger die Möglichkeit, den Schadensersatz aus Ansprüchen der letzten 30 Jahre einzufordern: Denn nach den seit 1.1.2002 geltenden Verjährungsregeln haften Vermittler (gerechnet ab 1.Januer 2002) für längstenfalls noch 10 Jahre.


Hierunter fallen nicht nur die Abschlüsse, bei denen es von vornherein fraglich war, ob der Kunde die festen Beiträge überhaupt längerfristig aufbringen konnte. Oft wäre auch eine kürzere Vertragslaufzeit (12 bis 15 Jahre statt 25 bis 40 Jahre) für den Kunden bei frühzeitiger Kündigung weniger nachteilig gewesen, während die lange Laufzeit auch bei Durchhalten bis zum Ende keine Vorteile gebracht hätte.


Nicht selten haben Versicherungsunternehmen ihren Kunden beim Vertragsabschluß „unverbindliche Beispielsrechnungen“ mit hohen Renditen vorlegen lassen – mehrere Urteile bzw. Hinweise der Aufsichtsbehörde und Äußerungen von Ratingfirmen zeigen, dass derlei Prognosen teilweise auf fehlerhafter Grundlage unrealistisch hohe Renditen, Ablaufleistungen, Kapitalabfindungen oder Rentenzahlungen ausgewiesen haben. Dies kann nach einigen Urteilen dazu führen, dass der Versicherer die Überschüsse später nicht herabsetzen darf (Erfüllungsanspruch) oder aber der Vertrag unter Rückzahlung von Beiträgen samt Zinsen rückabzuwickeln ist.


Oder es wurde gleich eine falsche Rendite angegeben, weil sie nicht auf die eingezahlten Beiträge, sondern nur auf den Sparanteil nach Kosten und Risikobeiträgen bezogen wurde – oft dann noch zur völligen Verwirrung als „Netto“-Rendite bezeichnet.


Rentenversicherungen wurden nicht selten als Renditeprodukte verkauft, insbesondere wenn ihre Kapitalabfindung mangels Todesfalleistung erhöht war. Dass die „Rendite“ zum Teil aus der „Wette“ aufs Überleben stammte und damit bezahlt wurde, dass es im Todesfall gar keine Leistung gab, wurde dann in der Beratung verschwiegen.


Umgekehrt enthalten Policen oft unnötig hohen Risikoschutz, der die Rendite weiter schmälert. Angeblich wollte der Kunde dann gar keine Kapitalanlage, sondern eine Risikoabsicherung.


Beliebt zur Provisionsmaximierung und durch die hohen Abschlusskosten und Risikobeiträge besonders nachteilig sind auch die sogenannten Methusalem-Policen mit Beitragszahlungsdauern bis Alter 85. In Beispielrechnungen wurde dann in Aussicht gestellt, dass im Alter 60 bis 65 über die Leistung ohne Abzüge verfügt werden kann, weil dann Deckungskapital und Überschüsse zusammen die Versicherungssumme erreichen (die Überschüsse also mit den noch ausstehenden Beiträgen verrechnet werden können). Auf das Risiko zurückgehender Überschüsse und immer weiter (bis über Alter 75!) sich ins Rentenalter verschiebender Auszahlung wurde meist nicht aufgeklärt.


Damit Sie wissen, welche Art von Vertrag (unter Berücksichtigung von Kosten, Risikobeiträgen, Überschussmodell und sonstigen versicherungsmathematischen Konditionen) Sie abgeschlossen haben, sollten Sie zunächst eine Begutachtung durch einen Fachmann vornehmen lassen. Dadurch werden die Diskrepanzen zum ursprünglichen „Bedarf“ erkennbar, also das Ausmaß der nicht bedarfsgerechten Beratung. Gleichzeitig kann damit versicherungsmathematisch der Schaden – als Unterschiedsbetrag zum Ergebnis bei Abschluss eines bedarfsgerechten Produktes – ermittelt werden.


Nicht selten ergibt sich dabei, dass die vollständige Rückabwicklung des Vertrages mit Rückzahlung aller Beiträge zuzüglich Zinsen die sinnvollste Variante ist.


Das weitere Vorgehen bedarf u.a. wegen der rechtlichen Erfolgsaussichten sowie der Frage der evtl. Verjährung, einer Prüfung durch einen auf diesem Rechtsgebiet erfahrenen Rechtsanwalt.


Fazit: Sofern Sie Mitglied sind, lassen Sie derartige Verträge zunächst von Ihrem procon-Berater überprüfen und sich gegebenenfalls einen erfahrenen Anwalt empfehlen.


Viel Freude bei der Vermehrung der gewonnenen Einsichten,
wünscht Ihnen Ihr Finanzscout

Klaus J. P.-Kilfitt

www.klaus-kilfitt.de
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