Dienstag, 20. Dezember 2005

Ende des Bankgeheimnisses treibt Kunden ins Ausland

Die seit 1. April in Deutschland erlaubte Kontenabfrage durch Finanzämter und andere Behörden hat nach Angaben von Bankenverbänden zu einer verstärkten Kapitalflucht aus Deutschland geführt.

Nach den Erkenntnissen des Genossenschaftsverband Bayern (GVB) wandern inzwischen nicht mehr nur große Vermögen ab. “Die Kapitalflucht geht quer durch alle soziale Schichten und hat ein erschreckendes Ausmaß erreicht. Die Folgen des im April 2005 faktisch abgeschafften Bankgeheimnisses sind dramatisch“, sagte der Präsident des Genossenschaftsverbandes Bayern, Stephan Götzl. Auch bei den Sparkassen heißt es, dass mittlerweile von Kunden bereits Sparbüchern mit weniger als 10.000 Euro ins Ausland transferiert würden.

Nach einer Umfrage des GVB sind alleine bei 140 bayerischen Volksbanken und Raiffeisenbanken seit Anfang des Jahres Einlagen von etwa 350 Millionen Euro ins benachbarte Ausland abgeflossen. Auch die Sparkassen verzeichneten einen Abfluss in dreistelliger Millionenbereich, sagte Siegfried Naser, Präsident des Sparkassenverbands Bayern.

Betroffen seien dabei vor allem die Institute im Grenzland zu Österreich, heißt es. Eine genaue Statistik über die Kapitalflucht gibt es aber weder bei den bayerischen Sparkassen noch für ganz Deutschland. Auch die privaten Banken klagen über einen Exodus der Kunden. Günther Picker vom Bayerischen Bankenverband verwies auf Schätzungen, nach denen alleine in Österreich deutsches Kapital in Höhe von 50 Milliarden Euro angelegt ist.

Steuerfachanwälte berichten ebenfalls von einer verstärkten Bereitschaft, Geld aus Deutschland abzuziehen. “Die Kapitalflucht hat sich verstärkt. Was wir jetzt sehen, ist aber erst der Anfang, viele werden noch weggehen“, sagte der Bremer Steuerfachanwalt Hanspeter Daragan.

Anleger sind verunsichert

Die Gespräche mit seinen Mandaten zeigten ihm, “dass zahlreiche Bürger sich einfach nicht in die Karten schauen lassen wollen, unabhängig davon, ob sie ihre Kapitaleinkünfte ehrlich versteuern“. Viele hätten inzwischen das Gefühl, “in einem Überwachungsstaat zu leben“. Ähnlich sieht es Gerhard Geckle, Steuerfachanwalt in Freiburg. “Wenn der Sparerfreibetrag 2007 quasi halbiert wird, wird die Nervosität der Bankkunden noch weiter zunehmen.”

Der Chef des Genossenschaftsverbandes Bayern zeigte sich davon überzeugt, dass der Abfluss möglicherweise sogar noch deutlich über den ermittelten 350 Millionen Euro liegt, da zum einen nicht alle Kreditgenossenschaften an der Umfrage teilgenommen hätten und zum anderen den Genossenschaftsbanken nicht alle Fälle bekannt seien.

Während wenige Kilometer jenseits der deutschen Grenze das Bankgeheimnis Verfassungsrang hat, haben bei uns staatliche Behörden ungehindert Einblick in Bankkonten. Dass die Kunden da verunsichert werden und ihr weißes Geld ins Ausland bringen, verwundert nicht“, sagte Götzl.

Finanzämter und andere Behörden wie Sozialämter oder Arbeitsagenturen können seit April elektronisch innerhalb kürzester Zeit sämtliche Konten und Depots eines Bürgers in Deutschland ermitteln.
Den Kontostand erfahren die Ämter dabei zunächst zwar nicht; ergibt sich aber ein Verdacht, dürfen sie ihre Abfrage erweitern. Früher durften solche Abfragen nur bei Anhaltspunkten für eine Straftat erfolgen. Nun genügt es, wenn die Behörde der Ansicht ist, dass eigene Ermittlungen nicht zum Erfolg führen würden. Das hat viele Anleger verunsichert.

Einige ausländische Nachbarn legen dagegen großen Wert auf das Bankgeheimnis. Die seit 1. Juli gültige Zinsrichtlinie, nach der sich die EU-Staaten gegenseitig über die Zinseinkünfte ihrer Bürger informieren müssen, wird in Belgien, Österreich, Luxemburg und im Nicht-EU-Land Schweiz nicht angewendet.
Diese Staaten behalten stattdessen von den Zinseinkünften ausländischer Kunden eine Quellensteuer in Höhe von zunächst 15 Prozent ein. Diese kann der Steuerzahler in seinem Heimatland mit seiner Steuerschuld verrechnen. Nach Angaben des Steuerexperten Daragan lässt sich die Zinsrichtlinie jedoch “mühelos unterlaufen. Die steht doch nur auf dem Papier“, sagte der Experte.

Laut dem Chef der Deutschen Steuergewerkschaft, Dieter Ondracek, fließen jedes Jahr zehn Milliarden Euro von deutschen auf ausländische Konten und Depots.

Viel Freude bei der Vermehrung der gewonnenen Einsichten,
wünscht Ihnen Ihr Finanzscout

Klaus J. P.-Kilfitt


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