Dienstag, 18. Juli 2006

Mogelpackung bei der Vermittlerqualifikation

Der Gesetzentwurf zur Vermittlung von Versicherungen ist nach Ansicht von Verbraucherschützern eine Farce.

Versicherte werden demnächst intensiver vor unseriösen Geschäftspraktiken und unvorteilhaften Vertragsabschlüssen besonders geschützt. Das ist zumindest die Absicht, die hinter der im kommenden Frühjahr Gesetz werdenden neuen Richtlinie für die Vermittlung von Versicherungen steht.

Ob und wie dieses Ziel erreicht wird, bleibt nach Ansicht vieler Experten offen. Zu vage seien die Formulierungen und zu niedrig die Anforderungen an die in diesem Markt verantwortlichen Personen.

Ausgangspunkt der Initiative ist eine EU-Richtlinie, die in Brüssel im Dezember 2002 beschlossen wurde und in nationales Recht bis zum 15. Januar 2005 umgesetzt werden sollte. Wegen Überziehung des Termins hat die Europäische Kommission der Bundesregierung mit Klage gedroht und eine Frist bis Anfang 2007 gegeben. Ende Juni dieses Jahres fand im Bundestag eine erste Lesung des Gesetzentwurfes statt, nachdem eine Anhörung von Fachleuten zum Thema erfolgt war. Wie die neuen Regeln ausformuliert werden, obliegt nun den Ausschußgremien.

Unterdessen laufen nicht nur Verbraucherschützer Sturm gegen die Paragraphen. Gerhard Frieg, Vorstand einesHeidelberger Finanzdienstleisters, sieht nicht den ursprünglichen Sinn der Maßnahme erfaßt. Frieg sagt: “Das Ziel, den Verbraucherschutz zu erhöhen, wird in weiten Teilen des Marktes nicht erreicht.” So müßten nach aktuellem Stand bei Versicherungsgesellschaften angestellte Vermittler keine Sachkundeprüfung vorweisen. Dies sei für die zu Versichernden nicht akzeptabel und außerdem eine sehr einseitige Regelung. Gerade mit angemessener Qualifikation und Ausbildung steige die Qualität insgesamt.

Gleiches gelte für Mitarbeiter von Vertriebsgesellschaften, wenn diese im Auftrag eines einzigen Unternehmens unterwegs sind. Bei ihnen wie auch bei festangestellten Vertretern der Versicherer müssen Auftraggeber eine ausreichende Qualifikation nur intern sicherstellen. Überprüfen soll dies die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin). Wolfgang Scholl, Referent beim Bundesverband der Verbraucherzentralen (VZBV), hält dies für utopisch: “Dazu ist die BaFin personell überhaupt nicht in der Lage.” Frieg schätzt, daß allein auf diesem Weg rund 300 000 Vermittler durchs vorgeschriebene und dringend benötigte Ausbildungsraster fallen.

Auch wer als Makler oder Mehrfachagent Policen unterschiedlicher Anbieter vermittelt, muß sich qualifizieren. Das Gesetz sieht eine Orientierung an der Berufsausbildung zum Versicherungsfachmann der Deutschen Versicherungswirtschaft vor. Doch diese Vorschrift wird für einen Bruchteil aller Betroffenen relevant. Mit dem 31. August 2000 ist ein für viele Beteiligte sehr komfortabler Stichtag vorgesehen. Schon zu diesem Zeitpunkt aktive Vermittler müssen nicht die Qualifikation erbringen.

Einen Nachweis für wirkliches Können verleiht der Status eines Versicherungsfachmanns ohnehin nicht. Dafür vorgesehene 222 Unterrichtsstunden entsprechen bei einem Sechs-Stunden-Tag eines Gymnasiasten ganzen 37 Schultagen. Edda Müller, Vorstand beim VZBV, sagt: “Auch künftig sind die Qualifikationsvoraussetzungen an einen Friseur wesentlich höher als an Versicherungsvermittler, die Lebensversicherungen über mehrere 100 000 Euro verkaufen.”

Aus Sicht das Bundesverband verbraucherorientierter Wirtschaftsberatungsunternehmen – procon e.V., der sich schon seit 1996 für eine vernünftige Qualifikation der handelnden Personen stark macht und wesentlich zur Schaffung eines brancheneinheitlichen und öffentlich-rechtlich abgesicherten Berufsbildes beigetragen hat, eine mehr als traurige Entwicklung.

Viel Freude bei der Vermehrung der gewonnenen Einsichten,
wünscht Ihnen Ihr Finanzscout

Klaus J. P.-Kilfitt
 

procontra© - kritische Informationen für aufgeklärte Verbraucher

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