Der Finanzsektor ist durch die Kette von Hiobsbotschaften der letzten
Wochen risikoscheu geworden – so risikoscheu, dass die Banken nicht
mehr bereit sind, Kredite zu erteilen – noch nicht einmal untereinander.
Führende Wirtschaftsfachleute, wie bspw. der Chefvolkswirt der
britischen Investmentgesellschaft Schroders, Keith Wade,
befürchten, dass durch diese Klemme im Kreditsystem die beabsichtigte
Wirkung der letzten Leitzinssenkungen die Realwirtschaft nicht erreichen
könnten. Wade geht davon aus, dass die Kapitalkosten für die reale
Wirtschaft so lange hoch bleiben, bis das Misstrauen zwischen den
einzelnen Finanzinstituten wieder abnimmt und zeichnet ein insgesamt
düsteres Bild der weiteren Entwicklung. Und damit ist er nicht allein.
Die Stimmen mehren sich, denen zufolge eine weltweite Rezession ins Haus
steht. In einem aktuellen Marktkommentar schreibt Wade:
„Die britische Regierung kündigte die Bereitstellung einer
Finanzspitze für das britische Bankensystem an. Dieser Schritt führt
effektiv zur Teilverstaatlichung der größten Banken des Landes. Außerdem
erhalten diese Banken Auflagen in Bezug auf ihr Handeln, ihre
Kreditpolitik sowie ihre Dividenden- und Vergütungsrichtlinien.
Der britische Ansatz zur Stützung des nationalen Finanzsektors
unterscheidet sich von den Maßnahmen, die bereits in den USA eingeleitet
wurden. Bei dem vom US-Kongress verabschiedeten
700-Milliarden-Dollar-Rettungspaket werden die staatlichen Gelder dazu
genutzt, den angeschlagenen Banken „giftige” Anlagewerte wie
hypothekenbesicherte Wertpapiere abzukaufen. Im Gegensatz dazu schlägt
die britische Regierung eine direktere Form der Rekapitalisierung für
die Branche vor. In früheren Finanzkrisen hat sich diese Lösung zur
Wiederherstellung des Marktvertrauens als die erfolgreichere erwiesen.
Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat in einer
Studie die Häufigkeit und Dauer von früheren Finanzkrisen sowie ihre
Auswirkungen auf das wirtschaftliche Wachstum untersucht. Nach diesen
Untersuchungen hat es seit 1970 42 Finanzkrisen in 37 Ländern gegeben.
Diese Krisen sind also häufiger aufgetreten, als man meinen könnte!
Allerdings wird in der Studie eingeräumt, dass die heutige Krise sich
auf einer höheren Ebene abspielt als die früheren Ereignisse. Dabei
beläuft sich der Gesamtverlust beim Bruttoinlandsprodukt (BIP) nach
einer Finanzkrise im Durchschnitt auf circa vier Prozent – bei
„normalen” Rezessionen beträgt er etwa die Hälfte davon. Eine typische
Rezession dauert zwischen 12 und 18 Monaten. Aber aus der Analyse
früherer Krisen lässt sich schließen, dass der aktuelle Abschwung mehr
als zwei Jahre anhalten könnte.
Das derzeitige Hauptproblem für die Wirtschaft besteht darin, dass
der monetäre Transmissionsmechanismus nicht mehr funktioniert. Der
Finanzsektor ist so risikoscheu geworden, dass die Banken nicht mehr
bereit sind, Kredite zu erteilen – auch nicht untereinander. Durch diese
Klemme im Kreditsystem können die Vorteile der Zinssenkungen nicht bis
zur realen Wirtschaft durchdringen.
Die Spreads im Interbanken-Kreditmarkt haben außergewöhnlich hohe
Werte erreicht. Sie liegen zwischen 300 und 350 Basispunkten. Das ist
einer der größten Indikatoren für das Ausmaß des Misstrauens, das
zwischen den Banken herrscht. Und die Kapitalkosten in der realen
Wirtschaft bleiben so lange hoch, bis sich diese Spreads reduzieren.
Wir bekamen gestern einen flüchtigen Eindruck vom zukünftigen Gesicht
des britischen Bankensystems. Der Sektor selbst wird sich verkleinern,
die Kreditaufnahme der öffentlichen Hand wird zu-, die des
Privatbereichs abnehmen, so dass sich dadurch sowohl Unternehmens- als
auch Haushaltsschulden reduzieren dürften. Doch bis wir dort angelangt
sind, kann noch ein langer, holpriger Weg vor uns liegen. Die Reise
dürfte turbulent werden, und diese drastische Erschütterung des
Bankensystems dürfte negative Folgen für den Verbraucher haben.
Wir erwarten nunmehr einen weltweiten Abschwung. Das heißt, dass wir
uns auf scharfe und schnelle Zinssenkungen einstellen sollten, da die
Zentralbanken versuchen, das Wachstum neu zu beleben. Wir waren davon
ausgegangen, dass die Bank of England den Leitzins um
50 Basispunkte senken würde – die Bank entschloss sich aber sogar zu
einer Reduzierung auf 4,5 Prozent. Außerdem senkte die FED den US-Zinssatz um 50 Basispunkte auf 1,5 Prozent und die Europäische Zentralbank (EZB) die Zinssätze von 4,25 auf 3,75 Prozent.”
Damit greifen die Notenbanken der führenden Industrienationen zu den
gleichen Mitteln, die sich schon bei vergangenen Krisen als
mittelfristig kontraproduktiv erwiesen haben, da die Schere zwischen der
weltweit im Umlauf befindlichen Geldmenge und deren “realem Gegenwert”
immer weiter auseinandergeht. Entsprach 1980 das weltweite
Anlagevermögen in Höhe von 12 Billionen US-Dollar noch exakt dem
Welt-Bruttoinlandsprodukt (also ebenfalls 12 Billionen $), so steht dem
heutigen Welt-Bruttoinlandsprodukt von 54 Billionen Dollar die schier
unglaubliche Summe von 140 Billionen virtuellem Anlagevermögen
gegenüber. Mit anderen Worten: Die weltweiten Vermögensanlagen bestehen
zu 86 Billionen US-Dollar aus heißer Luft. Tendenz steigend. Eine
Entwicklung, die früher oder später nur zu einem völligen Kollaps des
internationalen Finanzsystems führen kann – mit entsprechenden
Auswirkungen auf die gesamte Wirtschaft.
“Diese Mechanismen des Marktes lernt jeder Volkswirtschaftler
schon während seines Studiums – um sie dann im Laufe seines Berufslebens
wieder zu verdrängen, weil die daraus resultierenden Erkenntnisse und
die zu ziehenden Konsequenzen seinem Arbeitgeber in der Regel natürlich
nicht ins Konzept passen.”, kritisiert Finanzexperte Klaus J. Pitter-Kilfitt,
Vorstandsmitglied des Bundesverbandes procon e.V. diese gängige Praxis.
Während die verantwortlichen Notenbanker, Wirtschaftslenker und
Politiker seit Wochen nur Durchhalteparolen ausgeben und dem Volk
wirkungslose Placebos verabreichen, warnt der Bundesverband verbraucherorientierter Wirtschaftsberatungsunternehmen – procon e.V. bereits seit längerem vor dieser Entwicklung. “Es
ist geradezu unverantwortlich, wenn selbsternannte Börsenexperten
derzeit in öffentlichen Talkshows zum Kauf von Aktien raten. Natürlich
wird es einzelne Titel geben, die sich dem allgemeinen Trend zumindest
zeitweise entziehen können und ein durch andere Faktoren bestimmtes
Eigenleben führen, wie aktuell z.B. der Kursverlauf der VW-Aktie zeigt.
Aber der allgemeine Trend zeigt nach unten – und dies wird auch noch
einige Zeit so bleiben.“, so Pitter-Kilfitt weiter. Die Talsohle
sei derzeit noch nicht einmal sichtbar und mit einem nachhaltigen
Aufschwung in den nächsten 2 Jahren kaum zu rechnen. “Wir raten deshalb unseren Mitgliedern, ihre Anlagestrategien grundsätzlich zu überdenken.”
weitere Artikel zum Thema:
–> http://www.foerderclub-procon.de/shownewsdetail.php?id=132
–> http://www.foerderclub-procon.de/shownewsdetail.php?id=132
Viel Freude bei der Vermehrung der gewonnenen Einsichten,
wünscht Ihnen Ihr Finanzscout
wünscht Ihnen Ihr Finanzscout
Klaus Kilfitt
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